Erika Stürmer-Alex

Erika Stürmer-Alex (Jg. 1938) zählt seit mehreren Jahrzehnten zu den wenigen singularen authentischen KünstlerInnen des Brandenburg-Berliner Kulturraumes. Das drückt sich nicht nur in ihrer künstlerischen Arbeit aus, sondern auch in ihrem Engagement für die Belange der Frauen in Kultur und Politik wie im Alltag.

2015 erhielt sie den Kunstpreis des Landes Brandenburg für ihr Lebenswerk. Dazu sagte sie in ihrer Dankesrede voller Stolz: Ich bin eine Regionalkünstlerin. Ich habe mich nicht darum gekümmert, in der „Welt draußen“ meinen Standort (im Sinne von Denkmal) zu finden. Ich bin so eins mit meiner Verwurzelung in dieser wunderbaren Landschaft, in die ich hineingeboren wurde, dass es mich ausfüllte, auslastete, mit der mir geschenkten Begabung hier zu wirken.Das ist eines der Geheimnisse der Kunst von Erika Stürmer-Alex – sie ist auf die einmalige herbe Schönheit der Landschaft und der dortigen Atmosphäre zurückzuführen, bedeutet aber keinerlei Einengung, sondern weitet von hier aus den Blick in die Welt.

Kunst ist für sie Selbstausdruck und Selbstbehauptung ganz gleich ob gegenüber der Diktatur eines Kunstmarktes oder einer Staatsideologie, wie sie selbst es formuliert.

In dieser Ausstellung geht es um Bilder aus den 60er und 70er Jahren. Um diese Zeit beschäftigte sie sich besonders mit der Malerei von Porträts, Landschaften und Stilleben. Das waren in der DDR die Jahre, in denen es um den „sozialistischen Realismus“ ging und die klassische Moderne, die verschiedensten Avantgarden als dekadent, zumindest als „individualistisch“ abgetan wurden. Die Künstler sollten den neuen Menschen malen, den Vertreter der Arbeiterklasse, einen Helden mit Helm und Fahnen, in dramatischer Geste nach dem Vorbild der ruhmreichen Sowjet Union. Bei dieser Art von Doktrin scheint Stürmer-Alex immer im Nebenzimmer gewesen zu sein, soll heißen: sie hat die Debatten verfolgt, sich aber nicht davon beeindrucken lassen. Ihr Leben lang ist sie unterwegs, getrieben von der Sehnsucht nach Eigenständigkeit und voller Entdeckerfreude. Nie scheinen ihr die Stunden eines Tages auszureichen, um ihre Arbeit zu beenden. Darin liegt ein weiteres Geheimnis dieser Kunst – die absolute Begeisterung für ihren jeweiligen Gegenstand, ihr künstlerisches Gegenüber, das sie erschafft, in einer Art „absoluter“, bedingungsloser Motivation.

Sowohl die figurativen als auch die abstrakten Bilder sind dadurch voller Lebenskraft. Aus der Arbeit im Wechsel von Fläche und Skulptur entwickelt sich ein Dialog. Wahrnehmung als Verbindung zwischen Kunst und Alltag nutzt die Künstlerin, um Neues, traumhaft Rätselhaftes zu gestalten. Eine Seelenlandschaft entsteht, die existentiell wichtig ist für ihre Kunst: Die unmittelbare Umgebung, die Landschaft mit all ihrem Schönen und auch Zufälligem, Unwegsamem.

Da fallen mir Zeilen des französischen Dichters Eugène Guillevic ein – als Frage an die Künstlerin:

Wenn Sie die Geranie wären

im Topf auf dem Fensterbrett,

was wollten Sie haben:

mehr Blüten, mehr Blätter?

Die Antwort kann nur sie selbst geben. Ich würde denken, sie würde sagen: „Mehr Blätter“, weil sie die Grundlage eines natürlichen dauerhaften Lebens bilden. Aber wer weiß?

Gabriele Muschter