Gerhard Altenbourg

Gerhard Altenbourg
Der Meister nimmt sich die Freiheit!
Arbeiten auf Papier

Gerhard Altenbourg – seine Sehweise dringt oder ragt bis zu den Wurzeln hinab – schreibt Annegret Janda bereits 1968 mit einer Überzeugung und einem Weitblick, der aus der heutigen Sicht nur verblüffen kann. Und Lothar Lang, ein früher Förderer des Künstlers, schreibt unter seinem damaligen Pseudonym Ludwig Last: „In der verästelten Landschaft Altenbourgscher Zeichnungen und Steindrucke und in den gestrichelten und gepunkteten Zonen der Farbblätter äußert sich eine Kunstgesinnung, der es noch einmal um das Ganze geht, um den Kosmos“.

Der Künstler wird am 22. November 1926 in Rödichen-Schnepfenthal bei Friedrichroda (Thür.) als Sohn eines freikirchlichen Predigers geboren. 1929 ziehen seine Eltern nach Altenburg, wo er bis zu seinem tragischen Tod 1989 lebt. Die frühe Lebensphase des Künstlers ist durch die Einberufung als Soldat und Lazarettaufenthalte getrübt. Danach nimmt er Zeichenunterricht bei seinem hochverehrten Lehrer Erich Dietz und absolviert 1948 bis 1950 ein Studium an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar. Altenbourg hat über ca. zehn Jahre bis in die 1960er Jahre hinein ausschließlich Freunde, die ihn und seine Zeichenkunst hoch schätzen. Die offizielle Kunstszene in der damals jungen DDR nimmt ihn nicht wahr oder streitet ihm jede künstlerische Fähigkeit ab. Die Betonköpfe der 1950er Jahre siegen zunächst. Auf den Dresdner Kunstausstellungen sind bis hin zur Zehnten, die 1989 als letzte stattfand, keine Arbeiten von Gerhard Altenbourg ausgestellt worden. Dabei war in den 1980er Jahren eine gewisse liberale Haltung in der Bildenden Kunst unter dem Verbandspräsidenten Willi Sitte möglich geworden. Sich anzubiedern, dafür war Altenbourg zu stolz, denn er konnte die frühen Verletzungen nicht verzeihen. Seine Holzschnitt-Ausstellung, die im Schloß Hinterglauchau vom 22. 2. bis 31. 3. 1976 stattfinden sollte, wurde sofort nach der Eröffnung wieder geschlossen. Das war in der Kunstszene der DDR ein einmaliger Vorgang! Der Künstler war glücklicherweise schon vorher einen anderen Weg gegangen. Die Galerie Springer in West-Berlin zeigte erstmals im Winter 1964 Arbeiten aus den Jahren 1953 – 1960. Dieter Brusberg, der Galerist aus Hannover, konnte sich, wie er schreibt, der Faszination der Altenbourgschen Farben nicht entziehen und so entstand zwischen beiden eine fruchtbare Zusammenarbeit, die bis zum Tod des Künstlers andauern sollte. Ich weiß noch, wie mir Altenbourg in den 1980er Jahren erzählte, daß er in den 1960er Jahren seine Zeichnungen und druckgraphischen Arbeiten sogar per Post nach Hannover sandte und er dafür sehr qualitätvolle Papiere, wertvolle Bücher und Arbeiten von Künstlern erhielt, die er sehr schätzte und die er in der DDR nicht kaufen konnte. Er sagte fast wörtlich: „Da meine Arbeiten keine Kunst sind, kann ich sie nach dem Westen schicken“!

Zuerst war es ein kleiner Kreis von Sammlern und Liebhabern, der im Laufe von 30 Jahren zu einer überwältigenden Anhängerschaft wuchs. Großen Anteil daran hatten unzweifelhaft im Osten der Kunstwissenschaftler Lothar Lang, der Chef des Reclamverlages Hans Marquardt und Werner Schmidt, um nur einige zu nennen. Besonders Lothar Lang leistete Pionierarbeit mit seiner 54. Ausstellung des Kunstkabinetts am Institut für Lehrerweiterbildung in Berlin-Pankow vom 6.5 bis 3. 6. 1967. Dort schreibt er mutig: „Altenbourg ist von jener Art des Künstlertums, das schon stets von weither Türen aufgestoßen hat, auf daß der Mensch neue Landschaften seines Ichs begreife“. In der Biographie des Künstlers heißt es: Seit 1952 zahlreiche Ausstellungen in Paris, Rom, Genf, Mailand und in den USA. 1966 erhielt er den Burda-Preis in München, 1967 den Preis der II. Internationale der Zeichnung in Darmstadt, 1968 den Will-Grohmann-Preis. 1970 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin-West gewählt. Erst 1986 zu seinem 60. Geburtstag, endlich ein Jubelruf seiner Freunde. Im Museum der bildenden Künste Leipzig wurde die Ausstellung „G. A., Zeichnungen und Graphik“ vom 10. 10. 1986 bis 23. 11. 1986 und in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vom 10. 12. 1986 bis 4. 3. 1987 gezeigt. Großen Anteil daran hatte Dieter Gleisberg, dem der Künstler vertraute.

Im Anschluß daran endlich die Austellung „Wurzellinien“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin vom 5. 5. bis 5. 7. 1987. Dazwischen war besonders die Tätigkeit der Pirckheimer-Gesellschaft darauf gerichtet, den Künstler mit seinen graphischen Arbeiten bekannter werden zu lassen. Eine Edition eines Farb-Holzschnittes „Über den Hügeln die Bläue“, sowie die Ausstellung vom 20. 9. bis 2. 11. 1986 im Staatlichen Museum Schloss Burgk „Gelegentliches von Gerhard Altenbourg“ belegen dies. Es hätte alles so weiter gehen können, wenn nicht ein tragischer Verkehrsunfall am 30. 12. 1989 seinem Künstlerleben ein Ende gesetzt hätte.
Große Betroffenheit für alle, die ihn kannten und schätzten. Ich kann mich seitdem noch an eine große Gedenkveranstaltung in der Akademie der Künste erinnern. Einige Ausstellungen gab es noch in der Galerie Brusberg in Berlin. Glücklicherweise ist es der unermüdlich arbeitenden Dr. Annegret Janda noch gelungen, eine Monographie und ein Werkverzeichnis des Künstlers zu erarbeiten, das seinesgleichen sucht und im Wienand-Verlag, Köln erschienen ist. Neben der Würdigung des Werkes von Gerhard Altenbourg soll diese Ausstellung für alle, die seine künstlerischen Arbeiten schätzten und liebten, eine Erinnerung sein.
Ekkehard Hellwich