Paul Kuhfuss

Als Kuhfuss 1919 auf Rügen „seine Erfindung“ machte, glaubte er seinen „persönlichen Stil“ gefunden zu haben; dieser bestand in der „expressiv übersteigerten Formenwelt, welche die geistige Unruhe und existenzielle Erregtheit seiner Zeit reflektierte“. In dieser Schaffensperiode dominiert die graphische Struktur, die Gegenstände der Abbildung werden nach seinem „subjektiven Ausdruckswillen“ geformt.

Obwohl Kuhfuss von damaligen Kritikern gefeiert wurde, erlebt er seinen Durchbruch erst nach 1920, indem er, im Unterschied zu den meisten Expressionisten, nicht den Weg zum sachlich-veristischen Stil einschlägt, sondern eine eigene Formsprache entwickelt, die „die Subjektivität in den dargestellten Dingen anschaulich ausdrückt.“ In einem „nervösen Taumel geratene Landschaften“ und christlich-mythologische Themen werden durch romantische Darstellungen ersetzt. Dies erreicht Kuhfuss, indem er den bloßen Naturstudien die menschliche Figur hinzufügt. In einer idyllischen Landschaft, die mit den Darstellungen der Architektur unterbrochen wird, tauchen immer wieder skurrile Gestalten in Form eines Wanderers oder Landarbeiters auf. Die Imagination des Sujets wird mit hell-dunklen Lichtmagien verschärft.

Trotz mehrmals unternommenen Versuches leuchtende Farben in die Bilder einzubeziehen und sich damit auch in der Malerei zu behaupten, bleibt Kuhfuss in seiner früheren romantisch–expressiven Schaffensperiode vor allem ein ausgezeichneter Zeichner, dem besonders in der „schwarz–weiß“ Darstellung sein Durchbruch gelang.

Die pantheistische Weltsicht, Mensch, Kreatur und Natur miteinander zu vereinen findet weitere Entwicklung in den 30er und 50er Jahren. Während seines Ausstellungsverbotes in der Nazizeit beschäftigt sich Kuhfuss damit, die Vielfalt der Landschaft zu beobachten und sie mit dem Pinsel in farbigen Bildern einzufangen. Nun wird die „expressionistische Schauromantik“ teilweise mit der Groteske ersetzt, Trauer und Melancholie spiegeln sich in seinen Blumenstillleben, Teichen und Waldstücken wieder. Auch in den 50er Jahren erweist sich die Kunst für Kuhfuss als Mittel, sich selbst von der bedrängenden Wirklichkeit zu befreien. Während vom Staat der sozialistische Realismus als Maßstab des künstlerischen Schaffens gefordert wird, tauchen bei Kuhfuss neben der Darstellung der ländlichen Idylle, symbolische Gestalten aus der Märchenwelt auf, die durch ihre Körpersprache einen direkten Dialog mit dem Betrachter eingehen und durch das Herausfordern des Unbewussten die Richtigkeit des Alltags hinterfragen.

Stets aufs Neue die „Erfindung“ machen, die Welt beobachten, deren Zeichen erkennen und sie zum Ausdruck bringen, bleibt für Kuhfuss das Credo seines Lebens, dem er immer gerecht wurde. Die von ihm beobachtete Wirklichkeit, meisterlich in Bildern eingefangen, löst im Betrachter nicht nur Faszination aus. Die märchenhafte Welt des Paul Kuhfuss lehrt vor allem, die existentiellen Grundlagen menschlichen Daseins im Bewusstsein wach zu halten und die Kunst als Mittel anzuerkennen, die die Realität permanent zu korrigieren hat.
Ekaterine Oshkhereli